Heimat - in der Pfarrgemeinde

Heimat in der Pfarrgemeinde: Für viele Frauen und Männer ist das ein beglückende (ab und zu vielleicht auch eine frustrierende) Erfahrung. Und für alle, die von irgend-woher neu zuziehen, wäre es eine tolle Chance. Aber wer muss den ersten Schritt tun?

Pro: Ohne Mittun geht nix!

Gemeinde, das ist für mich wie eine zweite Heimat. Vor zehn Jahren sind wir hierher gezogen, und uns war es gleich wichtig, Anschluss zu finden. Als Christ zu leben, ohne zu einer konkreten Gemeinde zu gehören: Das kann ich mir für mich nicht vorstellen. Ich will dazu gehören; ich weiß, dass ich eine Heimat für meinen Glauben brauche, und die muss konkret sein. Ein Ort und Menschen, mit denen mich etwas verbindet, eben der Glaube, aber auch das Leben. Ich könnte mir nie vorstellen, sonntags zum Gottesdienst zu gehen und sonst nichts mit den Leuten hier zu tun haben zu wollen. Nicht’s Schlimmeres, als wenn man nach dem Gottesdienst niemanden zum Reden oder nett Zunicken hat.

Wir haben Anschluss gefunden. Es ist ja altbekannt: Ohne mitmachen kommt man nicht an. Das gilt beim Sportverein genauso. Also nichts wie rein in den Kinderliturgiekreis. Dort wurde ich freudestrahlend aufgenommen, und über die Kontakte zu den anderen Frauen hier habe ich kennen gelernt, wie es in der Gemeinde so läuft: Wer mit wem kann oder nicht kann, wie weit der Pfarrer bei unseren Vorschlägen zur Kinderliturgie mitmacht, wo es brenzlig wird. Und, das Wichtigste: Durch die Zusammenarbeit haben sich auch schnell persönliche Kontakte ergeben. Jetzt, nach zehn Jahren, kann ich sogar sagen: Freundschaften.

Klar gibt es immer welche, die einem sympathischer sind als andere. Aber nur „draußen“ stehen und jammern, dass man in die Gemeinde „nicht reinkommt“ – so läuft das nicht. Uns war es wichtig, Anschluss zu finden, und dafür haben wir auch investiert. Damit meine ich nicht nur die Zeit, sondern auch die Haltung, die man mitbringen muss. Ich habe schon auch meine Probleme damit, wenn Neue in die Gemeinde kommen und meinen, alles umkrempeln zu müssen. Investieren heißt für mich: erst mal mitmachen, verstehen, warum es hier so läuft und nicht anders. Dann kann man immer noch motzen. Gemeinde lebt doch davon, dass alle mittun.

Manche sind sich da vielleicht zu fein. Oder es ist ihnen nicht intellektuell genug, was weiß ich. Gerade jetzt nach der Erstkommunion, als die Kinder in Kindergruppen oder zum Ministrieren und die Eltern zum Info-Abend für die Gründung eines neuen Familienkreises eingeladen wurden, habe ich erlebt, dass viele zwar klagen: „Ich finde keinen Anschluss.“ Aber wenn’s konkret wird, dann kommen sie nicht. Da kann ich nur sagen: Dann backt euch eure Gemeinde selber oder lasst es ganz sein. Aber hört mit dem Jammern auf!

Simone Schulz

Kontra: Ohne Mittun geht nix?

„Ohne mittun geht nix“: Da stellen sich mir die Nackenhaare auf! Zu oft habe ich diesen Satz gehört, damals, als wir neu in der Gemeinde waren. Familiengruppe, Kirchenchor und was es sonst noch so gab wurde uns angedient. Aber auch Tischtennis- oder Heimatverein, ich will das nicht auf die Pfarrgemeinde einschränken. Super Ratschläge waren das, denn ich kann weder Singen noch einen Tischtennisschläger halten.

Aber offenbar zählte das nicht. Anscheinend war ich als Person egal. Keine Neugierde, was denn das für einer sein mag, den es jetzt hierher verschlagen hat. Keine Nachfrage nach meiner Herkunft. Kein Interesse daran, warum und weshalb, ob ich gerne oder eher notgedrungen umgezogen bin. Nein, gleich diese Angebote: keine Bewegung auf mich zu, sondern Erwartungen, dass ich ersten Schritte mache. Dabei drückt die Haltung „Wer mitmacht, kommt schon rein“ ganz klar die Machtverhältnisse aus: Hier sind „wir“ die Einheimischen. „Wir“ legen fest, was bei uns wie läuft. Wenn du eine Chance haben willst, dann komm, ordne dich ein, zeige erst mal, was du kannst und was du Wert bist, bemühe dich um unsere Gunst. Aber mucke vor allem nicht auf und störe uns nicht. „Wir“ haben dich nicht hierher gebeten.

Klar, wer zu erst kommt, der mahlt zuerst. Aber muss das zwangsläufig zu dieser „Mach mit oder vereinsame“-Haltung führen? Ist das zuviel verlangt, wenn ich mir etwas Offenheit wünsche? Ein kleines Zeichen: Es ist schön, dass du jetzt da bist. Du darfst ankommen, deine Seele darf „nachkommen“ - das hätte mir gut getan. Aber so: Wo bleibe ich denn mit meiner Unsicherheit in der fremden Umgebung? Ich muss sowieso ganz viel Neues erkunden: in meinem beruflichen Umfeld, im Management des alltäglichen Lebens (Arzt, Aldi, Apotheke...), da habe ich schon genug zu tun, um „rein zu kommen“.

Erwarte ich zu viel, wenn ich mir wünsche, nach dem Gottesdienst zu einer Tasse Kaffee eingeladen zu werden? Ohne dass ich vorher fünf Fürbitten formuliert habe?

Rudolf Wohlfahrt